Ricardo Fuhrmann | Daniel Jelin
 

Die Arbeitsweise der Künstler

Die Chavruta (hebräisch: חַבְרוּתָא, sprich: khawruta mit Betonung auf der letzten Silbe) ist eine traditionelle Methode im Torah-Studium: zwei Lernende sitzen sich gegenüber und erschließen sich eine Textstelle (der Torah oder des Talmud), indem sie aus ihrer jeweils individuell unterschiedlichen Sichtweise heraus über diese Textstelle diskutieren, unterschiedliche bekannte Kommentare zu dieser Textstelle heranziehen und sich so intensiv mit dem Text auseinandersetzen.

So könnte man diese Methode als partnerschaftliches Lernen oder partnerschaftliche Auseinandersetzung übersetzen. Durch die Auseinandersetzung wird der Text in einer Tiefe durchdrungen, wie es beim einfachen Auswendiglernen nie stattfindet.

Ricardo Fuhrmann und Daniel Jelin haben sich an diese Methode erinnert, als sie zur Vorbereitung ihrer schöpferischen Arbeit anfingen, sich zunächst mit der Pessach-Haggadah zu beschäftigen.
Sie sind dann aber nicht nur mit der Chavruta an die Pessach-Erzählung herangegangen: Sie haben diese Methode auch auf ihre Arbeit übertragen.

Fast alle Bilder der Ausstellung sind so entstanden.
Beide Künstler haben gemeinsam am einzelnen Werk gearbeitet, mal zugleich, mal abwechselnd, immer diskutierend. Sie haben sich dabei über die zugrunde liegende Textstelle der Haggadah auseinandergesetzt, über ihre Formensprache, über die beabsichtigte Aussage des Bildes, die Gestaltung der Figuren. Einer hat gemalt, der andere hat eingegriffen, korrigiert, verändert.

Man kann sich vorstellen, dass diese Art der Zusammenarbeit zweier ausgeprägter Künstler-Individuen hoch spannungsvoll gewesen sein muss. Das war über die Monate der gemeinsamen Erarbeitung der Werke nur möglich durch hohen gegenseitigen Respekt und die erwartungsvolle Neugier auf das gemeinsame Neue.

So entstanden die meisten Werke der Ausstellung also nicht von Fuhrmann oder Jelin, sondern von FuhrmannJelin. Formen und Farben der meisten Bilder entstammen quasi einer künstlichen Künstlerpersönlichkeit, die aus zwei Menschen besteht.

Die so entstandenen Werke sind von einer Tiefe und Aussagekraft, wie sie einem allein wohl kaum gelungen wären.